August, 2019
01Aug.20:0023:00JazzanovaOpen Air Konzert
Veranstaltungsdetails
Das erste Album seit einem Jahrzehnt – das wäre für die meisten Künstler vermutlich beängstigend. Nicht so für Jazzanova. Denn der ständige Zustand des Werdens ist quasi DNA dieses außergewöhnlichen
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Das erste Album seit einem Jahrzehnt – das wäre für die meisten Künstler vermutlich beängstigend. Nicht so für Jazzanova. Denn der ständige Zustand des Werdens ist quasi DNA dieses außergewöhnlichen Ensembles. Vom ersten Moment an, als sich das Kollektiv 1995 als DJ-Gruppe gründete, gab es keine Blaupause für das, was Jazzanova einmal sein sollte. Und in jeder Phase der Entwicklung hat sich die Gruppe ein Stück weit wieder neu erfunden. Jazzanova hat sich nie an eine bestimmte Szene oder einen bestimmten Sound gehalten, hat nie eine bestimmte Technik oder ein bestimmtes Format verfolgt. Sondern war ein DJ-Kollektiv, ein Produktions-Gespann, ein Remix-Team, Radio-Host und -Moderator, Labelbesitzer und Kurator. Stets mit einem Fuß in der Clubkultur und mit dem anderen in der Live-Arena: dem Ort, an dem Jazzanova in den letzten zehn Jahren am aktivsten war. All diese kreativen Strömungen sprudelten in den letzten zwei Jahrzehnten unentwegt – und fließen nun auf ganz natürliche Weise in die musikalischen Verästelungen von The Pool, ihrem bisher reifsten und faszinierendsten Album.
Als sich das Team um Alex Barck, Claas Brieler, Axel Reinemer, Jürgen von Knoblauch und Stefan Leisering zum ersten Mal traf, waren sie alle tief in einer Clubszene verwurzelt, die sich – wie Stefan es ausdrückt – um „Funk, Jazz, Disco, Latin…. alles Mögliche – aber meist um alte Platten“ drehte. Ihr erster Anstoß, zusammen ins Studio zu gehen, war einfach „etwas Neues zu haben, um in DJ-Sets zusammen die alten Sachen zu spielen“. Es dauerte eine Weile, bis sie Fuß gefasst hatten. Aber als „Fedime’s Flight“, ihre selbstveröffentlichte Mischung aus brasilianischem Shuffle und kosmischen Soul-Akkorden, 1997 unter DJs in Umlauf kam, beschleunigte sich der Erfolg plötzlich rasant. Zusammen mit Michael Reinboth’s Compost Label aus München – damals bereits fest etabliert und mit seinen Future Sound of Jazz Compilations international sehr erfolgreich – gründeten sie JCR (Jazzanova Compost Records) und begannen 1998 mit zwei Jazzanova EPs ihre rege musikalische Aktivität.
„Die ersten vier oder fünf Jahre (nach unserer ersten Platte) waren super intensiv“, sagt Stefan. Das ist keine Übertreibung: Das Jazzanova Kollektiv war schnell auf der ganzen Welt gefragt und verband sich mit unterschiedlichen Musik-Szenen von Kyoto bis Philadelphia. Ständig im Studio, remixend und produzierend, bauten sie Verbindungen zu anderen Musikern auf. Dabei streiften sie mühelos Richtungen wie Neo-Soul, gebrochenen Beat, Nu Jazz, Deep House und viele andere Sounds. So konnten sie mit dem Philly-Rapper Capitol A genauso gut arbeiten wie mit den europäischen House-Helden Dixon und Âme. Dies alles führte 2002 zu ihrem Debütalbum In Between – einer glorreichen Mischung aus radikalen Experimenten und klassizistischen Klängen, mit einem beachtlichen Kreis an Gast-Sängern und Instrumentalisten. Für andere wäre das erste Album das zentrale Ding. Für die Jungs von Jazzanova war es nur ein weiteres Element neben Remixen, Kuratoren-Tätigkeiten, DJing und den zunehmend elaborierten Schritten, ihre Kompositionen auch live vor Publikum anspruchsvoll zu präsentieren.
Genau hier zeigt sich die ganze Brillanz des Jazzanova-Modells. Anstatt zwischen all den individuellen Verpflichtungen etwas Chaotisches und Unkontrollierbares zu produzieren, führte es bei ihnen zu einer ungewöhnlich nachhaltigen Arbeitsweise: Wo klassische Bands auf den Album-Tour-Album-Tour-Zyklus angewiesen sind, um in den Medien sichtbar zu bleiben, war bei Jazzanova für die Fans immer etwas dabei: Ob beim Komponieren für moderne Tanzshows, Kompilieren aus dem legendären Blue Note Jazz-Archiv oder dem Betrieb der JCR- und Sonar Kollektiv-Labels. Tatsächlich waren selbst die Vertriebsprobleme, welche die Verbreitung ihres Of All The Things-Album von 2008 erschwerten, kein Drama für das umtriebige Multi-Task-Ensemble. So dass Stefan dazu heute halb im Scherz sagt: „Manchmal frage ich mich, ob die Leute überhaupt wissen, dass wir ein zweites Album gemacht haben!“ Alles kein Problem für die Jungs: Denn wieder war das Album nur ein Puzzlestück im universellen Jazzanova-Gesamtwerk.
Und so vergingen die zehn Jahre zwischen Of All The Things und The Pool schnell. Jazzanova wurde nie langsamer, sie hörten nie auf, Verbindungen zu unterschiedlichen Musik-Szenen, Musikern und Fans aufzubauen. Sie hörten nie auf, sich musikalisch weiter zu entwickeln – auch wenn sich die meisten Mitglieder von Jazzanova parallel immerhin Zeit genommen haben, Familien zu gründen. Die Musik entwickelte sich daneben konstant weiter, wie der Strom des Lebens selbst. Die 2010er Jahre wurden vor allem damit verbracht, die Welt zu bereisen, die Live-Sets von Jazzanova beschallten viele Festivals und Arenen. „Keiner von uns war ausgebildeter Musiker“, sagt Stefan, „also war alles, was wir taten, eine Lernerfahrung.“ Und der Lernfortschritt vollzog sich in einem atemberaubenden Tempo: Schon die ersten 12″-Veröffentlichungen hatten eine bemerkenswerte Raffinesse, obwohl sie von reinem Instinkt getrieben waren – einem Instinkt für das, was auf einem Dancefloor funktioniert. So ist 20 Jahre nach den ersten Maxis die verdichtete Menge an musikalischer Erfahrung dieses Kollektivs enorm, weil sie Spiegelbild einer konstanten Auseinandersetzung, eines stetiges Eintauchens in den Klang über viele Jahre hinweg reflektiert.
Das alles bringt uns zu The Pool – dem mit Abstand komplettesten Album von Jazzanova bislang. „Es gibt viele Einflüsse, die sich ähneln“ , sagt Stefan. „Die Art und Weise, wie wir das Sampling auf eine bestimmte Weise einsetzen, die Art, wie wir Instrumente im Studio spielen, gibt ihm einen sehr homogenen Klang.“ In der Tat: Die Kombination aus zehntausenden von Stunden Erfahrung auf der Live-Bühne, im Studio, im Radio und im Club haben den Jazzanova-Jungs ein unverwechselbares Selbstvertrauen gegeben, eine Solidität bei allem, was sie für ihre Aufnahmen einsetzen, die man in jedem Beat und jeder Note hören kann. Man hört auch, dass es sich hier um eine „erwachsene“ Platte handelt: von Rhythmus zu Rhythmus, von Stil zu Stil ist viel weniger zu hören, als bei den ersten Aufnahmen – alles dreht sich um die Logik des einzelnen Songs. Doch zugleich gibt es auch schillernde Farben, die sich von Minute zu Minute verschieben. Wie immer gibt es auch wieder eine beeindruckende Auswahl an Kollaborateuren – und jeder Sänger oder Rapper bringt seine ganz eigene Note in das Werk ein.
The Pool entstand durch ständiges Herumspielen mit Samples. Stefan erinnert sich, wie er mit zehn Trackskizzen anfing, von denen nur ein paar wenige letztlich auch Songs wurden. „Aber das ist der beste Weg – wir machen lieber, als zu diskutieren und zu planen“. Wie immer ist es die Vielseitigkeit von Jazzanova, die dabei alles zusammenhält. Und wie immer bleiben die Jungs umtriebig: Dieses Album wird natürlich weitere Shows, weitere Remixe, weitere Musiker-Connections generieren. Aber es erzeugt auch den Drang, noch mehr neue eigene Musik zu schaffen. Zurück im Studio wurde den fünf Musikern deutlich, dass der kollektive kreative Funke beim Produzieren genauso stark war wie auf der Bühne oder in den unzähligen Nebenprojekten – so dass man wohl nicht davon ausgehen muss, dass es nun wieder ein Jahrzehnt dauert bis zum nächsten Album. Dies ist definitiv der Beginn eines neuen Kapitels in der faszinierenden Geschichte von Jazzanova. Es gibt immer noch keine Vorlage für das, was sie sind oder in Zukunft sein werden. Sie erfinden immer noch die Regeln mit großer Freude immer wieder neu. Und genau das ist es, was ihre Musik so wundervoll macht.
VVK € 35,– zzgl. Gebühren
AK € 39,- zzgl. Gebühren
Vorverkauf unter : Kultursaal , Ö-Ticket, Ticketmaster oder in allen ÖT-Filialen
Zeit
(Donnerstag) 20:00 - 23:00
Location
Kitzmantelfabrik